Entgeltfortzahlung bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit

LAG Hamm. 18.1.2006 – 18 Sa 1418/05

Ist der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, ist die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Nachweis einer Neuerkrankung nicht ausreichend, weil sie keine Angaben über die konkrete Krankheitsursache der erneuten Arbeitsunfähigkeit enthält. Bestreitet der Arbeitgeber daraufhin das Vorliegen einer neuen Krankheit, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung und der Beweis der Tatsachen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen.

Die klagende Arbeitnehmerin war zunächst sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Der beklagte Arbeitgeber leistete im Rahmen seiner Einstandspflicht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Unmittelbar im Anschluss meldete sich die Mitarbeiterin für weitere sechs Wochen krank unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung. Der Arbeitgeber weigerte sich, Entgeltfortzahlung zu leisten. Das Gericht gab im Ergebnis dem Arbeitgber Recht und verneinte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG zu.

Nach § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Ein neuer Anspruch nach § 3 Abs. 1 EFZG für die Dauer von sechs Wochen entsteht nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht, ansonsten liegt eine sogenannte Fortsetzungserkrankung vor. Von einer Fortsetzungserkrankung ist auszugehen, wenn in der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem Beginn der neuen Erkrankung die Krankheit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern das Grundleiden latent weiter bestanden hat. Die wiederholte Arbeitsunfähigkeit beruht dann auf demselben nicht behobenen Grundleiden, selbst wenn dieses verschiedene Krankheitssymptome zur Folge hat. War der Arbeitnehmer aber vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig oder sind seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit 12 Monate vergangen, bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen.

Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, ist die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend, um eine neue Erkrankung nachzuweisen, weil sie keine Angaben über die konkrete Krankheitsursache der erneuten Arbeitsunfähigkeit enthält. Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit, hat der Arbeitnehmer Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die den Schluss zulassen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Legt der Arbeitnehmer aber eine ärztliche Bescheinigung vor, die auf eine Neuerkrankungen schließen lässt, so hat der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Leistungsausschlusses wegen einer Fortsetzungserkrankung. Im Streitfall hatte die Arbeitnehmerin zwar hinreichend dargelegt und nachgewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einer Neuerkrankung beruhte, die Beweisaufnahme kam aber zu einem anderen Ergebnis.

Anmerkung: Verlangt ein Mitarbeiter im Anschluss an eine bereits sechs Wochen dauernde Erkrankung wegen einer behaupteten Neuerkrankung wiederum Entgeltfortzahlung, sollten Sie keine Erstbescheinigung eines Arztes akzeptieren und das Vorliegen einer neuen Krankheit bestreiten, wenn aus Ihrer Sicht entsprechende Anhaltspunkte bestehen. Ihr Mitarbeiter hat dann das Recht und die Möglichkeit darzulegen und nachzuweisen, dass er an einer anderen, neuen Krankheit leidet. Hierzu hat er die ihn behandelnden Ärztevon deren Schweigepflicht zu entbinden. Liegt keine Neuerkrankung vor, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf erneute Entgeltfortzahlung. Es besteht dann nur ein Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Krankenkasse.