Zur insolvenzrechtlichen Wirksamkeit der Abtretung von Vergütungsforderungen des Vertragsarztes gegen die kassenärztliche Vereinigung

BGH, 11.05.2006 – IX ZR 247/03

Die Abtretung oder Verpfändung von Forderungen auf Vergütung gegen die kassenärztliche Vereinigung ist unwirksam, soweit sie sich auf Ansprüche bezieht, die auf ärztlichen Leistungen beruhen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden.

Die Entscheidung des BGH betrifft vor allem Sicherungsgläubiger, d.h. insbesondere Banken, die sich zur Kreditsicherung Forderungen des Arztes auf Vergütung gegen die kassenärtliche Vereinigung abtreten lassen. Soweit die Ansprüche auf ärztlichen Leistungen beruhen, die der Arzt (als Schuldner) im Zuge der Fortführung seiner Praxis nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht hat, ist die Abtretung unwirksam. Die Erlöse stehen damit der Masse zu.

Der Senat geht auf Grund der Begründung zum Insolvenzrechtsänderungsgesetz aus dem Jahre 2001 davon aus, dass wegen § 91 Abs. 1 InsO Vorausabtretungen von künftigen Forderungen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens generell unwirksam sind. Hiervon macht § 114 Abs. 1 InsO für Bezüge aus einem Dienstverhältnis und die Dauer von zwei Jahren eine Ausnahme, um dem Sicherungsgeber (und Kreditnehmer) zu ermöglichen, sich Kredite gegen Sicherheiten zu beschaffen.

Die Vergütungsansprüche des Vertragsarztes gegen die kassenärztliche Vereinigung unterliegen dieser Ausnahmeregelung des § 114 Abs. 1 InsO aber nicht, da diese keine “Bezüge aus einem Dienstverhältnis” darstellen. Der in der Insolvenz selbständig tätige Vertragsarzt erzielt sein Einkommen nicht nur aus der Verwertung seiner Arbeitskraft, sondern auch aus dem Betrieb der Praxis. Mit der Fortführung der Praxis sind notwendige Ausgaben verbunden, die im Insolvenzverfahren zu Lasten der Masse gehen. Ansprüche, welche die Begründung von Masseverbindlichkeiten voraussetzen, werden zum Schutz der Insolvenzmasse von § 114 Abs. 1 InsO aber nicht erfasst.

Im Ergebnis ist die Abtretung der Vergütungsforderungen eines Vertragsarztes gegen die kassenärztliche Vereinigung damit nicht insolvenzfest, soweit es um Ansprüche geht, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. In diesem Zusammenhang ist präzise zu differenzieren: Dem Grunde nach entstehen die Vergütungsansprüche des Vertragsarztes, sobald er seine vergütungsfähige Leistung erbracht hat, selbst wenn der Anspruch erst mit dem Honorarbescheid der kassenärztlichen Vereinigung (auf der Grundlage der in den Gesamtverträgen (§ 83 SGB V) ausgehandelten Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) und es von der kassenärztlichen Vereinigung festgesetzten Verteilungsmaßstabes (§ 85 Abs. 4 S. 1, 2 SGB V)).