Sportwetten in NRW: VG Münster bestätigt Schließungsverfügung

VG Münster, 02.06.2006 – 9 L 379/06
VG Arnsberg, 23.05.2006 – 1 L 411/06

Das Verwaltungsgericht Münster bestätigt in einem Beschluss vom 02.06.2006 die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung einer Schließungsverfügung zu Lasten eines privaten Wettbüros. In NRW führen damit die Gegner privater Sportwetten in der gerichtlichen Auseinandersetzung mit 3:2. Bereits die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Gelsenkirchen hatten in einstweiligen Verfügungsverfahren die Untersagung der Vermittlung privater Sportwetten für rechtmäßig erklärt.

Die Verwaltungsrichter in Arnsberg und Minden kamen hingegen zum gegenteiligen Ergebnis. Die Untersagungsverfügungen seien grundgesetz- und europarechtswidrig. Da das BVerfG dem Gesetzgeber aber eine Übergangs- und Konsolidierungsfrist bis Ende 2007 eingeräumt habe, wirke sich der Verfassungsverstoß aktuell nicht aus. Anders sei die Rechtslage wegen des Verstoßes gegen die europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Dem Europarecht seien Übergangsfristen zur Herstellung einer rechtskonformen Gesetzeslage unbekannt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Münster sind hingegen auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Übergangsfristen anerkannt, so dass der Gesetzgeber auch hinsichtlich des Verstoßes gegen europarechtliche Vorschriften die Gelegenheit habe, eine rechtskonforme Gesetzeslage herzustellen.

In den beiden entschiedenen Fällen vermittelten in Deutschland ansässige Unternehmen Sportwetten für in anderen EU-Mitgliedsstaaten konzessionierte Wettbüros. Über eine nach dem Landesrecht in NRW erforderliche Wettlizenz der Landesregierung (nach dem Sportwettengesetz NW) verfügten weder die in Deutschland ansässigen Wetthalter noch die Geschäftspartner im EU-Ausland. Letztere waren lediglich nach dortigem Recht lizenziert. Weder den deutschen noch den ausländischen Wetthaltern kann nach geltendem Recht eine Wetterlaubnis erteilt werden. Gemäß § 1 Abs. 1 Sportwettengesetz NW kommen als Träger des Wettunternehmens für sportliche Wettkämpfe grundsätzlich nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des privaten Rechts in Betracht, deren Anteile überwiegend von juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehalten werden.

Die örtlichen Ordnungsbehörden untersagten daher den deutschen Unternehmen das Anbieten von Sportwetten und anderen Glücksspielen ohne Erlaubnis der hierfür zuständigen Behörde des Landes NRW, das Vermitteln an Veranstalter, die für ihre Tätigkeit keine Erlaubnis der dafür zuständigen Behörde des Landes NRW besitzen, das Bereitstellen von hierzu dienenden Einrichtungen sowie das Werben für entsprechende Angebote. Sie verfügten ferner die Schließung der Sportwettbüros und ordneten die sofortige Vollziehung der Verfügungen an.

Die bei den Verwaltungsgerichten in Münster und Arnsberg angestrengten Eilverfahren führten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster muss das private Sportwettbüro seine Geschäfte vorläufig unterlassen. Die zuständige Kammer lehnte den Eilantrag des betroffenen Unternehmers ab. Bereits das Vermitteln von Sportwetten
ohne Erlaubnis der Landesbehörde verstoße gegen (formelles) Gesetzesrecht und sei daher eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, da auch der Wetthalter im EU-Ausland über keine landesrechtliche Lizenz verfüge. Zugleich erfülle die Vermittlung von Sportwetten den Tatbestand des § 284 StGB jedenfalls in Form der Beihilfe. Nach § 284 StGB sind das öffentliche Veranstalten eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis und das Bereitstellen von Einrichtungen hierfür strafbar.

Die ordnungsbehördlichen Verfügungen verstoßen nach Überzeugung des Gerichts aktuell weder gegen nationales Verfassungsrecht noch gegen europäische Grundfreiheiten. National habe das BVerfG in seinem Urteil vom 28.03.2006 das staatliche Wettmonopol für eine Übergangszeit aufrechterhalten und den Landesgesetzgebern bis Ende 2007 Zeit für eine verfassungsgemäße Neuregelungen gegeben. Jedenfalls bis dahin dürften Wetten durch private Wettbüros ordnungsrechtlich unterbunden werden. Entgegen den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Arnsberg und Minden sehen die Richter aktuell auch keinen Verstoß gegen europarechtliche Regelungen. Zwar seien die landesgesetzlichen Regelungen ebenso wenig mit der grundgesetzlichen Berufsfreiheit wie mit europarechtlich geschützten Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Allerdings seien auch im europarechtlichen Kontext Übergangsfristen anzuerkennen, wie sie schon das BVerfG für den grundrechtlichten Verstoß angenommen habe. Insbesondere in diesem Punkt weichen die Münsteraner Richter von den Entscheidungen der
Verwaltungsgerichte Arnsberg und Minden ab.

Das VG Arnsberg geht hingegen davon aus, dass die Vermittlung von Sportwetten für private Anbieter, die über eine Lizenz eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union verfügen, bis zu einer Entscheidung über die Klage gegen das Verbot dieser Tätigkeiten zu dulden ist. Das Verbot der Wettvermittlung greife in die durch den EG-Vertrag geschützte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des in einem anderen EU-Mitgliedstaat lizenzierten Veranstalters ein. Diese Beschränkungen seien in ihrer konkreten Anwendung unverhältnismäßig. Die gesetzliche Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols stelle gegenwärtig nicht sicher, dass eine effektive Suchtbekämpfung und nicht die Erzielung von Einnahmen im Vordergrund stehe. Unter diesen Umständen sei es nicht gerechtfertigt, private Wettanbieter und ihre Vermittler auszuschließen. Anders als das nationale Verfassungsrecht sehe das europäische Gemeinschaftsrecht keine Übergangsfristen für eine Anpassung an einen europarechtskonformen Rechtszustand vor. Die in Rede stehenden nationalen Vorschriften seien daher nicht anzuwenden.

Konsequenzen:
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Gerichte in den vorliegenden Eilverfahren lediglich eine summarische Beurteilung der Rechtmäßigkeit der ordnungsbehördlichen Verfügungen vornehmen. Die Entscheidungen sind für die Hauptsacheverfahren nicht bindend. Trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sollten die betroffenen Unternehmen behördliche Untersagungsverfügungen und die Anordnung der sofortigen Vollziehung prüfen lassen und ggf. die zulässigen Rechtsbehelfe einlegen.