Zulassungsverzicht bei Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis

OLG Zweibrücken, 25.05.2005 – 4 U 73/04

Die gesellschaftsvertraglich übernommene Verpflichtung des ausscheidenden Partners einer Gemeinschaftspraxis, die Ausschreibung des Kassenarztsitzes zu beantragen, enthält zugleich die Verpflichtung, auf seine Zulassung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu verzichten, da nur durch einen solchen Verzicht ein Ausschreibungsverfahren in einem gesperrten Bezirk eingeleitet werden kann.

Der Kläger und sein Vater betrieben zusammen eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis. Nach dem Ausscheiden des Vaters zum 31.12.1997 erhielt der Beklagte den freigewordenen Sitz als Vertragsarzt und setzte die Gemeinschaftspraxis mit dem Kläger fort. Die Vergabe Kassenärztlicher Zulassungen für Augenärzte ist in dem betroffenen Planungsbereich beschränkt. In dem im Dezember 1997 unterzeichneten Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der gemeinsamen Praxis vereinbarten die Parteien für den Fall des Ausscheidens eines Partners nach ordentlicher Kündigung die Übernahme der Praxisanteile gegen Zahlung einer Abfindung sowie die Verpflichtung des ausscheidenden Partners, unverzüglich bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag auf Ausschreibung seines vakant werdenden Kassenarztsitzes zu stellen, um so die weitere Existenz der Gemeinschaftspraxis zu ermöglichen. Der Beklagte schied zum 30.09.1999 auf Grund einer von ihm im März 1999 erklärten Kündigung aus der Gemeinschaftspraxis aus, ohne allerdings einen Antrag auf Ausschreibung seines Kassenarztsitzes zu stellen. Vielmehr behielt er seine Kassenärztliche Zulassung und eröffnete in der Nähe der klägerischen Praxis zum 01.10.1999 eine Einzelpraxis.

Auf Antrag des Klägers wurde der Beklagte durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. Juli 2002 (Az.: II ZR 265/00) rechtskräftig verurteilt, die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zu beantragen. Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung lehnte aber die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens ab, weil der Beklagte keinen Verzicht auf seine Zulassung erklärt habe und der Antrag auf Ausschreibung nicht zu Gunsten der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis gestellt worden sei. Das von dem Kläger eingeleitete Vollstreckungsverfahren blieb ebenso erfolglos, wie die vor dem zuständigen Sozialgericht durchgeführte Anfechtungsklage gegen die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung. Der Kläger verklagte daher den Beklagten auf Abgabe einer Verzichtserklärung betreffend seinen Kassenarztsitz zu Gunsten der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis.

Das OLG Zweibrücken kommt in der Sache zu dem Ergebnis, dass der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erklärung eines (unbedingten) Verzichts auf dessen Kassenarztsitz zu Gunsten der augenärztlichen (Gemeinschafts-)Praxis des Klägers hat. Die gesellschaftsvertraglich übernommene Verpflichtung des Beklagten, die Ausschreibung des Kassenarztsitzes zu beantragen, enthalte zugleich die Verpflichtung, auf seine Zulassung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu verzichten, da nur durch einen solchen Verzicht ein Ausschreibungsverfahren in einem gesperrten Bezirk eingeleitet werden könne. Daher müsse der zur Stellung eines Ausschreibungsantrags Verpflichtete zwingend auch die für eine solche Ausschreibung nach Maßgabe der sozialrechtlichen Vorschriften im Vorfeld notwendigen Erklärungen abgeben.

Das Gericht erteilt ferner dem von dem Beklagten reklamierten Zurückbehaltungsrecht eine Absage. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts scheide aus, was sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Gesellschaftsvertrag ergebe. Laut Gesellschaftsvertrag hat der Beklagte im Falle des Ausscheidens der Praxis „unverzüglich… einen Antrag auf Ausschreibung … zu stellen, um die weitere Existenz der Gemeinschaftspraxis zu ermöglichen“.

Dem Zeitbedarf zur Ermittlung der Abfindung des ausscheidenden Partners steht das Interesse der Gemeinschaftspraxis an einer raschen Neuvergabe des zweiten Kassenarztsitzes entgegen. Diese hat für den Fortbestand der Praxis und die Existenz des verbliebenen Gesellschafters erhebliche Bedeutung. Ihr ist somit Priortät einzuräumen.

Konsequenzen:
Das dargestellte Urteil ist die Fortsetzung einer Auseinandersetzung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis, die sich mittlerweile über etliche Jahre hinzieht. Mit dem Urteil des BGH vom 22.07.2002 war zu Gunsten des Klägers ein Zwischenerfolg erzielt worden.

Die Entscheidung zeigt, dass präzise vertragliche Regelungen Zeit und Geld sparen können und sollte zum Anlass genommen werden, Verträge und Klauseln zu diesem Themenkomplex nochmal zu prüfen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2002 die Zulässigkeit einer Ausschreibungs- und Verzichtsverpflichtung ausdrücklich dann bejaht, wenn wenn der Ausscheidende wegen der relativen kurzen Zeit seiner Mitarbeit die Gemeinschaftspraxis noch nicht entscheidend mitprägen konnte. Es sind daher in einem Gesellschaftsvertrag über eine Gemeinschaftspraxis differenzierte Regelungen zu treffen, die die Vorgaben des BGH berücksichtigen.