Differenzierungsklausel in Tarifvertrag

BAG 9.5.2007, 4 AZR 275/06

Tarifliche Diskriminierungsklauseln, die für Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft höhere Leistungen vorsehen als für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer, sind zumindest dann unwirksam, wenn sie als Voraussetzung für die zusätzliche Leistung auf die Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem zurückliegenden Stichtag abstellen. Insoweit kann hier offen bleiben, ob Differenzierungsklauseln entsprechend der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 29.11.1967 weiterhin generell als unwirksam anzusehen sind.

Der Sachverhalt:
Die beiden nicht tarifgebundenen Klägerinnen sind bei der ebenfalls nicht tarifgebundenen Beklagten als Produktionsarbeiterinnen beschäftigt. Die Beklagte hatte mit der zuständigen Gewerkschaft im Jahr 2000 einen Haustarifvertrag über eine modifizierte Geltung der Tarifverträge der Branche geschlossen. Sie wandte diese Tarifverträge zunächst unterschiedslos sowohl im Verhältnis zu tarifgebundenen als auch zu nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern an.

In einem weiteren Haustarifvertrag war mit Wirkung ab dem 1.10.2003 eine zusätzliche monatliche Vergütung in Höhe von 55 Euro vorgesehen. Im „Ergebnisprotokoll der Tarifverhandlung“ vom 26.6.2003 hieß es hierzu:

„Mit Wirkung ab dem 1.10.2003 wird ein Tarifvertrag über eine monatliche Vergütung von 55,00 Euro abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag gilt nur für Arbeitnehmer, die seit dem 1.6.2003 Mitglied der … (vertragsschließenden Gewerkschaft) sind und bleiben. Für Arbeitnehmer, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, entfällt die Vergütung beziehungsweise ist eine zu Unrecht gezahlte Vergütung zurückzuzahlen.“

Die Beklagte zahlte daraufhin die zusätzliche Vergütung nur an die Arbeitnehmer aus, die zum Stichtag Mitglieder der Gewerkschaft waren und geblieben sind. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage machten die Klägerinnen geltend, dass das Ergebnisprotokoll vom 26.6.2003 eine unwirksame Differenzierungsklausel enthalte und daher auch die nicht tarifgebundenen Beschäftigten die Zusatzvergütung beanspruchen könnten. Ihre Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.

Die Gründe:
Auch die nicht tarifgebundenen Klägerinnen haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Zusatzvergütung. Soweit diese nach dem Ergebnisprotokoll nur solchen Arbeitnehmern zustehen soll, die am 1.6.2003 Mitglied der vertragsschließenden Gewerkschaft waren, liegt eine unwirksame tarifliche Differenzierungsklausel vor.

Die Unwirksamkeit der Tarifausschlussklausel ergibt sich daraus, dass sie hinsichtlich der Gewerkschaftsmitgliedschaft als Voraussetzung für die zusätzliche monatliche Leistung auf einen zurückliegenden Stichtag abstellt und damit auch solche Arbeitnehmer von der Leistung ausschließt, die nach diesem Stichtag in die Gewerkschaft eingetreten oder aus ihr ausgetreten sind. Folge der Unwirksamkeit dieser Differenzierungsklausel ist, dass auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer der Beklagten einen Anspruch auf die zusätzliche monatliche Vergütung haben.

Da sich im Streitfall die Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel schon aus der Anknüpfung an einen zurückliegenden Stichtag ergibt, muss hier nicht entschieden werden, ob der Entscheidung des Großen Senats vom 29.11.1967 zu folgen ist, wonach tarifliche Differenzierungsklauseln generell unwirksam sind.

Quelle: BAG PM Nr.31 vom 9.5.2007