BAG: Kein Sonderkündigungsrecht nach § 12 KSchG bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit während des Kündigungsschutzprozesses
BAG 25.10.2007, 6 AZR 662/06
Nach § 12 KSchG kann Arbeitnehmern bei Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses während des laufenden Kündigungsschutzprozesses ein Sonderkündigungsrecht zustehen. Das gilt allerdings nur für die Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit. Macht sich der Arbeitnehmer selbständig, so kann er das Arbeitsverhältnis nur mit ordentlicher Kündigungsfrist kündigen und ist daher bis zum Ablauf dieser Frist an ein etwaiges Wettbewerbsverbot gebunden.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war beim Beklagten als Steuerberater angestellt. Im Arbeitsvertrag war ein Wettbewerbsverbot während des Anstellungsverhältnisses sowie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Im März 2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis und verzichtete vor Ablauf der Kündigungsfrist auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung Klage und hatte hiermit vor dem ArbG Erfolg. Anschließend erklärte er, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verweigere, und nahm unmittelbar danach eine selbständige Tätigkeit auf.
Mit seiner Klage verlangte der Kläger von dem Beklagten die Zahlung einer Karenzentschädigung für einen Zeitraum von rund drei Monaten, beginnend mit der von ihm erklärten Verweigerung der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Durch diese Erklärung sei das Arbeitsverhältnis in analoger Anwendung von § 12 KSchG mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Der Beklagte verlangte im Wege der Widerklage die Zahlung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Vertragsstrafe, weil der Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist noch an das Wettbewerbsverbot gebunden gewesen sei und hiergegen verstoßen habe.
Das BAG wies die Klage – wie die Vorinstanzen – ab und gab der Widerklage statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung für die Zeit vom Zugang der Nichtfortsetzungserklärung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Er konnte das Arbeitsverhältnis durch die Nichtfortsetzungserklärung nicht gemäß § 12 KSchG mit sofortiger Wirkung auflösen. Das Sonderkündigungsrecht aus § 12 KSchG steht Arbeitnehmern nur dann zu, wenn sie während des Kündigungsschutzprozesses ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sind. Auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist das Sonderkündigungsrecht nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar.
Der Kläger konnte das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten durch seine Nichtfortsetzungserklärung daher nicht mit sofortiger Wirkung auflösen. In einem solchen Fall ist die Erklärung nach § 12 BGB regelmäßig in eine ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Termin umzudeuten. Der Kläger war folglich bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden und durfte während dieser Zeit keine Konkurrenztätigkeit ausüben. Hieran ändert auch der zuvor vom Beklagten nach § 75a HGB erklärte Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nichts.
Da der Kläger unmittelbar nach seiner Nichtfortsetzungserklärung eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat, in diesem Zeitpunkt aber noch das Arbeitsverhältnis mitsamt Wettbewerbsverbot fortbestand, hat der Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vertragsstrafe.