Kochsalzbrustimplantate unterfallen dem Medizinproduktegesetz

Landgericht Köln, 17.05.2006 – 23 O 523/05

Kochsalzbrustimplantate sind Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes, keine Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes.

Der Klägerin wurden im Oktober 1999 in den Städtischen Kliniken der Stadt Köln im Zuge einer Brustoperation Kochsalzbrustimplantate eingesetzt. Diese Implantate werden durch eine amerikanische Firma in den USA hergestellt und von der Beklagten in Deutschland vertrieben. Im März 2004 trat an dem rechten Brustimplantat ein deutlicher Volumenverlust auf. Während eines stationären Aufenthaltes wurden die beiden Implantate herausgenommen und gegen Silikonimplantate ausgetauscht. Das Implantat wies einen 0,3 cm langen Riss auf. Im Zuge dieser Operation kam es zu Komplikationen in Form einer intensivmedizinischen Behandlung und Wundheilungsstörungen.

Die Klägerin verlangte Ersatz der durch die Operationen im April 2004 entstandenen Kosten sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000,00 Euro. Wegen der ungünstigen Beweissituation stützte sie ihre Klage auf § 84 Abs. 1 AMG und die Vermutung der Schadensverursachung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG.

§ 84 AMG lautet wie folgt:

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1. das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder

2. der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Eine Haftung aus § 84 Abs. 1 AMG komme nicht in Betracht, da das AMG entgegen der Ansicht der Klägerin nicht anwendbar sei. Bei den fraglichen Kochsalzimplantaten handele es sich nicht um Arzneimittel sondern um Medizinprodukte. Einschlägig sei daher § 3 Nr. 1 c) MPG, da die Kochsalzimplantate dem Zwecke der Veränderung des anatomischen Aufbaus zu dienen bestimmt seien und ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung im menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Methabolismus (Stoffwechsel) erreicht werde.

Auch eine deliktische und/oder produkthaftungsrechtliche Haftung nach dem ProdHaftG lehnt das Gericht im entschiedenen Fall ab, da weder ein Produkt- noch ein Instruktionsfehler ersichtlich seien. Die Ursache des festgestellten Risses blieb unklar, da auch durch ein äußeres Trauma oder eine intensive körperliche Berührung die Implantate beschädigt werden können und reißen. Darauf wurde in den Beipackzetteln der Beklagten und in einer Informationsbroschüre hingewiesen. Einen Instruktionsfehler hat das Gericht mit der Erwägung verneint, da die Beklagte die Implantate nur an Ärzte und nicht an den “Endverbraucher” abgebe und die Ärzte über die Gefahren der Verwendung ihrer Implantate ausreichend informiere.

Fazit:
Es obliegt in Fällen wie diesem dem Behandler, die Informationen an den Endverbraucher weiter zu geben. Unterlassungen gehen nicht zu Lasten des Herstellers oder des Vertriebs. Den Informationspflichten ist durch die Beifügung der Beipackzettel genüge getan. Weitergehende Produktbeobachtungspflichten bestehen nicht.