Hinauskündigungsrecht in Gemeinschaftspraxis zulässig

BGH 7.5.2007, II ZR 281/05

Grundsätzlich müssen Ärzte, die einen Vertragsarzt in ihre Gemeinschaftspraxis aufnehmen wollen, die Möglichkeit haben, zu prüfen, ob der neue Partner zu ihnen passt. Sie dürfen die Beteiligung des neu hinzutretenden Vertragsarztes daher zeitlich beschränken. Insoweit ist ein Zeitraum von drei Jahren angemessen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Fachärzte für Innere Medizin, die früher gemeinsam eine internistische und nephrologische Gemeinschaftspraxis betrieben haben. Der Beklagte sprach nach dreieinhalb Jahren der Zusammenarbeit gegenüber der Klägerin eine ordentliche Kündigung aus und berief sich hierzu auf eine Regelung im Gesellschaftsvertrag, wonach dem Beklagten für die Dauer von zehn Jahren ein Übernahmerecht zustehen sollte, das selbst bei einer gegen ihn gerichteten fristlosen Kündigung gelten sollte.

Die Klägerin, die mittlerweile in einer eigenen Praxis tätig ist, begehrte die Feststellung, dass die ordentliche Kündigung des Gesellschaftsvertrags unwirksam ist. Das LG gab der Feststellungsklage statt, weil die entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag wegen Verstoßes gegen das so genannte Hinauskündigungsverbot unwirksam und unter Heranziehung von § 139 BGB auf drei Jahre zu reduzieren sei. Daher würden die bis zur Kündigung verstrichenen dreieinhalb Jahre einen zu langen Zeitraum darstellen.

Das LG stützte seine Entscheidung auf den vom BGH mit Urteil vom 8.3.2004 (Az.: II ZR 165/02) entschiedenen „Laborärzte-Fall“, wonach ein Hinauskündigungsrecht zwar nicht schlechthin unwirksam ist, wenn es das Ziel verfolgt, zu überprüfen, ob ein neu in eine Gemeinschaftspraxis von Ärzten aufgenommener Berufsträger zu den Partnern passt. Diese Prüfungsmöglichkeit kann nach dem Urteil im „Laborärzte-Fall“ aber nur für einen begrenzten Zeitraum anerkannt werden. In dem damals entschiedenen Fall war die Frist mit zehn Jahren weit überschritten.

Auf die Berufung des Beklagten entschied das OLG zwar auch, dass die Regelung im Gesellschaftsvertrag der Parteien unwirksam ist. Die Klägerin könne sich aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die unwirksame Kündigung berufen, da sie – nach den Feststellungen des OLG – schon nach zwei Jahren und sieben Monaten von der beabsichtigten Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt sichere Kenntnis gehabt habe. Damit seien die Interessen der Klägerin nicht mehr schützenswert. Die gegen das Urteil des OLG gerichtete Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass die ordentliche Kündigung des Gesellschaftsvertrags wegen Verstoßes gegen das so genannte Hinauskündigungsverbot unwirksam ist.

Grundsätzlich muss einem Berufsträger, der einen neuen Partner in die Gesellschaft holt, die Möglichkeit eingeräumt werden, zu prüfen, ob der neue Partner zu ihm passt. In Übereinstimmung mit den Entscheidungen der Vorinstanzen darf daher bei der hier gegebenen, nach dem früheren Zulassungsrecht gegründeten Gemeinschaftspraxis die Frist einen Kündigungszeitraum von drei Jahren nicht überschreiten. Diese Frist berücksichtigt hinreichend den Zeitraum des gegenseitigen Kennenlernens und gibt den Gesellschaftern eine ausreichende Zeit, etwaige auftretende Differenzen auszuräumen und zu für beide Seiten tragfähigen Kompromissen zu gelangen.

Das OLG hat aber zu Recht entschieden, dass sich die Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht auf die unwirksame Kündigung des Beklagten berufen kann. Zwar soll jedes Mitglied einer Personengesellschaft (oder einer GmbH) seine Rechte und Pflichten unabhängig von dem Wohlwollen der Mehrheit in Selbstverantwortung ausüben und nicht unter dem “Damokles-Schwert” des jederzeitigen Ausschlusses stehen dürfen. Diese Situation bestand aber für die Beklagte bereits vor Ablauf der höchstzulässigen Frist von drei Jahren nicht mehr.

Der Hintergrund:
Mit dem vorliegenden Urteil hat der II.Senat des BGH die im “Laborärzte-Fall” mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassene Frage entschieden, für welchen begrenzten Zeitraum den aufnehmenden Berufsträgern die Möglichkeit zugebilligt werden kann, zu prüfen, ob der neue Partner in die Gesellschaft passt.

Quelle: BGH PM Nr.55 vom 7.5.2007