Für Darlehenskündigungen gegenüber dem (ärztlichen) Versorgungswerk gelten die normalen Fristen
OLG Frankfurt a.M. 09.04.2008, 17 U 233/06
Für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die zur Versorgung ihrer Mitglieder hohe Geldbeträge bei einer Bank anlegt, gelten nicht die Handelsbräuche des Kapitalmarkts. „Ankündigungsfristen” bei Darlehenskündigungen sind normalen Kündigungsfristen gleichzusetzen und werden deshalb gemäß § 187 Abs.1 BGB berechnet.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und gleichzeitig die berufsständische Vertretung der bei ihr organisierten Zahnärzte. In ihrer Eigenschaft als Versorgungswerk fragte sie bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank eG einen Anlagebedarf an. Diese schaltete eine Corporate & Investmentbank ein, die ein Schuldscheindarlehen entwickelte. Schuldner des Schuldscheins war demnach die beklagte Bank. Gläubigerin war die Klägerin.
Der Darlehensbetrag von sieben Millionen Euro wurde an die Beklagte als Darlehensschuldnerin ausgezahlt. Ein von der Beklagten unterschriebener Schuldschein führte folgende Bedingungen auf:
„Die Schuldnerin hat das Recht, den Schuldschein zum 01.12. der Jahre 2004 und 2005 mit einer Ankündigungsfrist von zwei Target Bankarbeitstagen zu kündigen. Das gesetzliche Kündigungsrecht der Schuldnerin bleibt davon unberührt. Für die Gläubigerin gilt die gesetzliche Regelung.”
Am 29.11.2004 kündigte die Beklagte das Darlehen per Fax zum 01.12.2004 und überwies der Klägerin die Darlehenssumme sowie die vereinbarten Zinsen. Am 02.12.2004 widersprach die Klägerin der Kündigung wegen Fristüberschreitung. Die Beklagte sah unter Verweis auf eine einhellige Praxis am Kapitalmarkt ihre Kündigung als fristgerecht an und hielt mit der Rückzahlung des Kapitalbetrags ihre Verpflichtung aus dem Schuldscheindarlehen für erfüllt.
Die Klägerin vertrat die Ansicht, die Fristberechnung richte sich nach den Vorschriften des BGB. Sie forderte die Beklagte auf, ihren Zinsschaden bis zum 31.5.2005 in Höhe von 142.076 Euro zu begleichen. Das LG gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Gründe:
Der Klägerin stehen die Zinsen aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen der Vertragsverletzung gemäß § 249 Abs.1 BGB in voller Höhe zu.
Das Darlehen wurde seitens der Beklagten nicht fristgemäß entsprechend der Vereinbarung gekündigt. Danach hatte die Beklagte das Recht, den Schuldschein zum 01.12.2004 mit einer Ankündigungsfrist von zwei Bankarbeitstagen zu kündigen. Nach dem Regelungszusammenhang ist der im Vertragstext gebrauchte Ausdruck „Ankündigungsfrist” der Kündigungsfrist gleichzusetzen. Bei Anwendung von § 187 Abs.1 BGB ist der Tag, an dem die Kündigung ausgesprochen wurde, bei der Berechnung Frist nicht mitzurechnen. Eine zum 01.12.2004 ausgesprochene Kündigung hätte deshalb spätestens am 28.11. und nicht am 29.11. erklärt werden müssen.
Unerheblich ist, ob am Kapitalmarkt in Form eines Handelsbrauchs eine einheitliche Handhabung der Fristberechnung gilt, die der gesetzlichen Regel des § 187 Abs.1 BGB entgegensteht. Die Klägerin sammelt zwar Kapital, um es für ihre Kammermitglieder anzulegen. Sie ist aber nicht Teilnehmerin an diesem Kapitalmarkt. Sie ist vielmehr auf die Dienstleistung des Kapitalmarkts zur Verfolgung ihrer Ziele angewiesen.
Eine Bindung der Klägerin an etwaige Handelsbräuche des Kapitalmarkts würde insbesondere dem in § 31 WpHG zum Ausdruck kommenden Ziel zuwiderlaufen, die Kunden von Kapitalmarktteilnehmern im Rahmen des vernünftigerweise Möglichen vor Unklarheiten und Unübersichtlichkeiten des Kapitalmarkts zu schützen.
Quelle: ZR-Report-Datenbank