EuGH kippt deutsche Kündigungsfristen
Gem. § 622 Abs. 2 BGB werden bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. Dieses hat zur Folge, dass bei Arbeitsverhältnissen bei denen sich die Kündigungsfristen nach den gesetzlichen Regelungen richten, junge Arbeitnehmer trotz mehrjähriger Beschäftigung kurze Kündigungsfristen haben.
Diese Regelung hat der EuGH heute gekippt, da die gesetzliche Regelung gegen EU-Recht verstößt. Der Europäische Gerichtshof hat Regelungen über Kündigungsfristen in Deutschland als unzulässige Altersdiskriminierung verworfen.
Seit 1926 steht im Bürgerlichen Gesetzbuch, dass jüngeren Arbeitsnehmer schneller gekündigt werden kann. Hiergegen wendete sich eine 28-jährige Düsseldorferin. Sie hatte seit ihrem 18. Lebensjahr in einer Essener Firma gearbeitet und war nach zehn Jahren entlassen worden – mit einer Kündigungsfrist von lediglich einem Monat. Denn der Arbeitgeber berücksichtigte nur die drei Jahre der Betriebszugehörigkeit, die nach ihrem 25. Lebensjahr lagen. Hätte er die gesamte Betriebszugehörigkeit berücksichtigt, hätte ihr eine Kündigungsfrist von vier Monaten zugestanden.
Das zuständig deutsche Arbeitsgericht leitete den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter, um die Vereinbarkeit der deutschen Kündigungsregeln mit dem europäischen Recht prüfen zu lassen. Nach Ansicht der Luxemburger Richter widerspricht das deutsche Arbeitsrecht in diesem Punkt dem EU-Recht. Denn das verbietet eine Diskriminierung wegen Alters. Eine solche Ungleichbehandlung sei aber gegeben, wenn Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Festlegung der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt werden.
In Deutschland wird diese Schlechterstellung jüngerer Arbeitnehmer damit begründet, dass diesen eine größere berufliche und persönliche Mobilität zugemutet werden könne. Diese Begründung wurde vom EuGH verworfen. In Zeiten hoher Jugendarbeitslosigkeit erschwerten die kürzeren Kündigungsfristen die Suche nach einer neuen Beschäftigung.
Die Luxemburger Richter wiesen die deutschen Gerichte an, die für unrechtmäßig befundene Klausel nicht mehr anzuwenden. Das heißt: Unabhängig davon, ob und wann die Bundesregegierung das Arbeitsrecht ändert, kann sich jeder nun in einem Rechtsstreit auf das EuGH-Urteil berufen. Somit müssen damit auch viele Tarifverträge, die sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch beziehen, geändert werden.
In Juristenkreisen wurde die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift seit längerem diskutiert, weshalb die Entscheidung aus Luxemburg für Experten keine Überraschung darstellt. Dennch dürfte das deutsche Urteil die Kontroverse um den Europäsichen Gerichtshof weiter anheizen. Schon bei einem ähnlich gelagerten Urteil von 2005, bei dem es aum Altersdiskriminierung durch deutsche Gesetze im Bereich von befristeten Arbeitsverhältnissen ging,w ar dem EuGH vorgeworfen worden, seine Kompetenzen zu überschreiten. Dessen Kritiker sind der Meinung, dass allein das Bundesverfassungsgericht deutsche Gesetzesnormen verwerfen dürfe.
Aktenzeichen: C-555/07