Der Bundestag berät über die Reform des Insolvenzrechts
Der Bundestag hat am 14.02.2008 den Gesetzentwurf zur Reform des Insolvenzrechts in erster Lesung beraten. Der Entwurf sieht eine Vereinfachung des Entschuldungsverfahrens bei mittellosen Schuldnern und eine Stärkung der Gläubigerposition im Insolvenzverfahren vor. Außerdem sollen die Interessen von Lizenznehmern im Fall der Insolvenz des Lizenzgebers gestärkt werden. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats. Bei zügigem Verlauf der Beratungen im Bundestag kann es voraussichtlich Ende 2008 in Kraft treten.
Der Gesetzentwurf hat die folgenden Kernpunkte:
Vereinfachtes Entschuldungsverfahren bei mittellosen Schuldnern
Bei mittellosen Schuldnern soll künftig anders als bisher kein Insolvenzverfahren mehr stattfinden. Vielmehr kann das Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abweisen und unmittelbar in das Verfahren der Restschuldbefreiung übergehen.
Der Ablauf des vereinfachten Entschuldungsverfahrens:
* Eröffnungsantrag bei Gericht unter Vorlage einer Bescheinigung einer geeigneten Person (zum Beispiel Rechtsanwalt, Notar oder Steuerberater) oder einer geeigneten Stelle (zum Beispiel Schuldnerberatungsstelle), dass eine Einigung mit Gläubigern entweder ergebnislos versucht wurde oder aussichtslos war. Im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens muss außerdem ein umfangreiches Formular über die Vermögensverhältnisse ausgefüllt werden.
* Bestellung eines Treuhänders, wenn das Vermögen des Schuldners zur Deckung der Verfahrenskosten voraussichtlich nicht ausreicht. Mit diesem füllt der Schuldner dann die Formulare für das Entschuldungsverfahren aus.
* Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides statt.
* Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse.
* Information der Gläubiger und Hinweis auf möglichen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung. Eine Versagung wäre etwa gerechtfertigt, wenn der Schuldner wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt wurde oder ihm in den letzten zehn Jahren bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt wurde. Liegt kein Versagungsgrund vor, so kündigt das Gericht die sechsjährige Wohlverhaltensperiode an.
Neues Vermögen des Schuldners
Erzielt der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode pfändbare Einkünfte, die an den Treuhänder abgetreten wurden, sollen zunächst die Verfahrenskosten bezahlt werden. Das weitere Verfahren bestimmt sich danach, ob die eingegangenen Gelder ihrer Höhe nach eine Verteilung an die Gläubiger rechtfertigen oder ob die Erstellung eines Verteilungsverzeichnisses über ein Feststellungsverfahren unverhältnismäßig wäre.
Ordnet das Gericht ein besonderes Feststellungsverfahren an – etwa, wenn der Schuldner eine Erbschaft gemacht hat – so sollen die Gläubiger öffentlich aufgefordert werden, ihre Forderungen beim Treuhänder anzumelden. Die Feststellung der einzelnen Forderungen sollen dann wie in einem Insolvenzverfahren erfolgen.
Schuldner sollen sich an Kosten beteiligen
Die Schuldner sollen sich durch eine einmalige Zahlung von 25 Euro und monatlichen Zahlungen während der sechsjährigen Wohlverhaltensperiode von 13 Euro an den Verfahrenskosten beteiligen. Durch die geplante Verfahrensvereinfachung sollen die Kosten pro Verfahren bei Verbrauchern von 2.300 auf 750 Euro je Verfahren und bei gescheiterten Unternehmern von derzeit 3.900 auf 1.470 Euro je Verfahren gesenkt werden.
Lizenzen sollen insolvenzfest werden
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist die insolvenzfeste Ausgestaltung von Lizenzen. Insolvenzverwalter sollen künftig nicht mehr frei entscheiden können, ob sie einen bestehenden Lizenzvertrag weiter erfüllen. Der Vertrag soll vielmehr seine Gültigkeit zwingend behalten. Der Insolvenzverwalter soll allerdings bei einem krassen Missverhältnis zwischen der vereinbarten und einer marktgerechten Vergütung eine Anpassung verlangen können. Macht er hiervon Gebrauch, so soll dem Lizenznehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen.
Stärkung der Gläubigerposition im Insolvenzverfahren
Mit weiteren Änderungen soll die Gläubigerposition im Insolvenzverfahren gestärkt werden. So ist etwa in § 14 InsO eine auf Sozialversicherungsträger zugeschnittene Regelung vorgesehen, die den Gläubiger von der Obliegenheit befreien soll, wiederholt Insolvenzanträge stellen zu müssen. Außerdem soll für Personen, die – wie etwa GmbH-Geschäftsführer – zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet sind und diese Pflicht schuldhaft verletzt haben, eine Vorschusspflicht für die Verfahrenskosten geschaffen werden.
Ferner soll in § 55 Abs. 2 InsO klargestellt werden, dass Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter im Wege einer vom Insolvenzgericht erteilten Einzelermächtigung begründet wurden, einschließlich der hierdurch entstehenden Steuer Masseverbindlichkeiten sind.
Schuldner, die Eigentums- oder Vermögensdelikte begangen haben oder wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurden, soll die Restschuldbefreiung versagt werden können. Das Gleiche soll für vertretungsberechtigte Organe einer Gesellschaft oder Gesellschafter gelten, wenn sie den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig gestellt haben.
Stellungnahme des DAV zur Reform der Verbraucherinsolvenz
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat die Initiative der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt, aber auch einige Nachbesserungen gefordert. So hält der DAV insbesondere die vorgesehene Vergütung des vorläufigen Treuhänders für unzureichend, da Anwälte nicht bereit und auch wirtschaftlich nicht in der Lage seien, Treuhänderschaften für derartig niedrige Vergütungen zu übernehmen. Der DAV schlägt einen schlankeren Verfahrensablauf vor, bei dem anwaltliche Mitarbeit angemessen vergütet wird.
Ferner sei die Kostenbeteiligung von Schuldnern verfassungsrechtlich bedenklich. So seien Personen, die lediglich über das sozialrechtliche Existenzminimum verfügten, bei berechtigtem Interesse etwa von Gerichtsgebühren freizustellen. Eine maßvolle Kostenbeteiligung des Schuldners sei erst dann angebracht, wenn die Einkommensgrenze der Beratungs- und Prozesskostenhilfe erreicht werde.
Der DAV bemängelt zudem, dass die anwaltliche Schuldnerberatung im Gesetzentwurf kaum erwähnt, wohl aber die Bedeutung der öffentlichen Schuldnerberatungen wiederholt betont werde. Damit verkenne der Entwurf die tatsächliche Situation von öffentlicher und anwaltlicher Schuldnerberatung in Deutschland, weil es kein flächendeckendes Netz öffentlicher Schuldnerberatungsstellen gebe.
Quelle: BMJ PM vom 15.02.2008