Die Auskunftspflicht über die Sozialauswahl besteht auch bei einem Interessensausgleich mit Namensliste zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter und späterer Kündigung durch den Insolvenzverwalter

Arbeitsgericht Stuttgart 24.7.2012, 16 Ca 2422/12 u.a.

Kommt es zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat zu einem Interessenausgleich mit Namensliste, so wird zwar gem. § 125 Abs. 1 InsO vermutet, dass die daraufhin ausgesprochenen Kündigungen durch dringende betriebliche Gründe bedingt sind, und ist die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen. Auf Verlangen des gekündigten Arbeitnehmers muss der Insolvenzverwalter aber dennoch im Kündigungsschutzprozess eine hinreichende Auskunft über die Sozialauswahl erteilen.


Die drei klagenden Arbeitnehmer waren bei der inzwischen insolventen Firma Anton Schlecker bzw. Anton Schlecker XL GmbH beschäftigt. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der beiden Firmen.

Die Kläger, denen der Beklagte entsprechend einem Interessenausgleich mit Namensliste gekündigt hatte, verlangten im Kündigungsschutzprozess gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG Auskunft über die Gründe, die zu der getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Der Beklagte erteilte eine Auskunft, legte allerdings in einem der drei Fälle – trotz gerichtlichen Hinweises – die Anlagen, auf die er in einem Schriftsatz hinsichtlich der Sozialauswahl verwiesen hatte, nicht vor.

Die Kündigungsschutzklagen hatten in allen drei Fällen Erfolg.

Entscheidungsgründe:
Der Beklagte hat in allen drei Fällen seiner Auskunftspflicht über die vorgenommene Sozialauswahl aus § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG nicht genügt. Rechtsfolge ist, dass die Kündigungen ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen sind.

Der Beklagte war auskunftspflichtig. Dem stand nicht entgegen, dass die Sozialauswahl gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen ist, wenn zwischen dem Insolvenzverwalter und der zuständigen Arbeitnehmervertretung ein wirksamer Interessenausgleich mit Namensliste zustande gekommen ist. Denn die Auskunftspflicht gilt auch in solchen Fällen uneingeschränkt.

In einem Fall ergab sich die Nichterfüllung der Auskunftspflicht schon daraus, dass der Beklagte – trotz gerichtlichen Hinweises – die Anlagen, auf die er im Schriftsatz hinsichtlich der Sozialauswahl verwiesen hatte, nicht vorgelegt hatte. In den beiden anderen Fällen fehlte es an einer hinreichenden Darlegung,

  • welche Vergleichsgruppen bei der Sozialauswahl gebildet wurden und wie sich diese voneinander abgrenzen lassen,
  • wie das behauptete Ziel der Schaffung einer ausgewogenen Personal-/Altersstruktur die Sozialauswahl beeinflusst hat und
  • welche betrieblichen Interessen den Insolvenzverwalter zur Ausklammerung an sich vergleichbarer Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl veranlasst haben.

Insbesondere wurde nicht erläutert, wieso mit zwei Klägern vergleichbare Mitarbeiter, die nach dem angewandten Punkteschema deutlich weniger sozial schutzwürdig als diese waren, nicht zur Kündigung anstanden und stattdessen den Klägern gekündigt wurde.

Quelle: ArbG Stuttgart PM vom 24.7.2012