Selbständige Beratungsunternehmen einer Sparkasse sind rechtlich als freie Anlageberater einzuordnen
BGH 19.7.2012, III ZR 308/11
Für den Fall, dass ein selbständiges Unternehmen der “Finanzgruppe” einer Sparkasse, das als 100%ige Tochtergesellschaft (GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist es hinsichtlich seiner Verpflichtung, die Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwarteten Provisionen aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln. Damit hat der III. Senat seine Urteile vom 10.11.2011 (III ZR 245/10), 3.3.2011 (III ZR 170/10) und 15.4.2010 (III ZR 196/09) fortgeführt.
Der Sachverhalt:
Bei der Beklagten handelt es sich um ein selbständiges Unternehmen der “Finanzgruppe” einer Sparkasse, das als 100%ige Tochtergesellschaft (GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist. Die Klägerin beteiligte sich im Dezember 2003 mit einer Einlagesumme von 200.000 € zzgl. eines Agios i.H.v. 5 % an einem Medienfonds. Der Beitritt erfolgte nach einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin, dessen Ehefrau und dem H., der damals als freier Handelsvertreter für die Beklagte tätig war.
Die Beklagte bestätigte schriftlich, dass der Geschäftsführer der Klägerin eine Agioerstattung i.H.v. 3 % auf die Pflichteinlage erhalten solle. Nachdem die Fondsgesellschaft den Beitragsantrag der Klägerin angenommen hatte, wurde dieser Betrag an den Geschäftsführer der Klägerin ausgezahlt. Über die Frage der Höhe von Provisionszahlungen, die die Beklagte für die Vermittlung der Anlage erhielt, wurde nicht gesprochen.
Später nahm die Klägerin die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung, insbesondere wegen mangelnder Aufklärung über die Höhe der vereinnahmten Provisionszahlungen für den Beitritt zu den vermittelten Fonds, in Anspruch. LG und OLG wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht ließ allerdings die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu und führte aus, dass bislang höchstrichterlich nicht geklärt sei, ob es sich bei einem Unternehmen, das zur Finanzgruppe einer Bank oder Sparkasse gehöre, um einen nicht bankmäßig gebundenen Anlageberater handele, sondern um einen hinsichtlich seiner Aufklärungspflichten hiervon grundlegend zu unterscheidenden “bankmäßig gebundenen” Anlageberater, der selbst nicht Bank sei. Die Revision der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Der Klägerin stand kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen einer unterbliebenen Aufklärung über Provisionen oder Rückvergütungen wegen des gezeichneten Fonds zu. Eine solche Pflicht bestand für die Beklagte nicht.
Die unterschiedliche Beurteilung der Pflichten der Bank als Anlageberater, die nach BGH-Rechtsprechung auch ungefragt über regelmäßig umsatzabhängige Provisionen aufzuklären hat, die aus offen ausgewiesenen Provisionen wie z.B. Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, im Gegensatz zu den freien, nicht bankgebundenen Anlageberatern folgt aus der unterschiedlichen Erwartungshaltung, die der Anleger bei gebotener typisierender Betrachtungsweise an seinen Anlageberater hat. Diese Differenzierung der Aufklärungsbedürftigkeit der Anleger zwischen einer Beratung durch eine Bank und auf der anderen Seite durch einen freien, nicht an eine Bank gebundenen Anlageberater ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Infolgedessen konnte sich ein Anleger, der sich durch die Beklagte über Anlagemöglichkeiten beraten ließ, nicht annehmen, die Beklagte würde diese Leistungen kostenlos erbringen. Dabei war in den Vordergrund zu stellen, dass es sich bei der Beklagten um eine selbständige juristische Person handelt, die selbst kein Kreditinstitut ist und keine “klassischen” Bankgeschäfte betreibt. Sie ist, ungeachtet des Umstands, dass sie zur “Finanzgruppe der Sparkasse” gehört und keine besonderen Geschäftsräume außerhalb der Sparkasse hat und ihr Kundenstamm im Wesentlichen aus Kunden der Sparkasse bestehen mag, ein eigenständiges Unternehmen, zu dessen Haupttätigkeit – nicht anders als bei sonstigen “freien” Anlageberatern – die Beratung bei der Geldanlage gehört.
Bei gebotener typisierender Betrachtungsweise ist einem Anleger bei einer Anlageberatung bewusst, dass die Beklagte Provisionen seitens der Kapitalsuchenden erhält, zumal sie keine Vergütung für die Anlageberatung selbst, die Verwaltung von Konten oder sonstige Dienstleistungen seitens der Anleger erhält. Ein Anleger hat bei der Beratung durch die Beklagte damit kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass diese kein Geld seitens der Kapitalsuchenden für die Vermittlung des jeweiligen Anlageprodukts erhält. Dass diese Zusammenhänge der Klägerin im vorliegenden Fall deutlich vor Augen standen, wurde dadurch unterstrichen, dass über das – offen ausgewiesene – Agio verhandelt und zwischen den Parteien eine Rückerstattung vereinbart worden war.