BGH: Zur Kombination von absolutem jährlichem Selbstbehalt mit behandlungsbezogenen Selbstbeteiligungen bei einer privaten Krankenversicherung

BGH 12.9.2012, IV ZR 28/12

Einen Leistungsausschluss in Gestalt einer erneuten Vereinbarung des absoluten Selbstbehalts kann der Versicherer nur beanspruchen, soweit die Summe der im Zieltarif vereinbarten behandlungsbezogenen Selbstbeteiligungen pro Kalenderjahr den absoluten Selbstbehalt nicht ausschöpft. Die Kombination eines absoluten jährlichen Selbstbehalts mit einem behandlungsbezogenen Selbstbehalt bei Wechsel des Tarifs innerhalb eines bestehenden Krankenversicherungsvertrages ist unzulässig.

Sachverhalt:
Der Kläger war beim beklagten Versicherer privat krankenversichert. Der Vertrag sah u.a. für ambulante Leistungen einen jährlichen Selbstbehalt von 2.300 € vor. Der monatliche Gesamtbeitrag in diesem sog. “Herkunftstarif” lag zuletzt bei 349,51 €. Der Kläger beantragte 2009 einen Wechsel in den Tarif “ECONOMY” der Beklagten, den sog. “Zieltarif”, der einen monatlichen Gesamtbeitrag von 163,92 € und verschiedene behandlungsbezogene Selbstbehalte von je 10 € pro Behandlungstag und Behandler, Arznei- und Verbandmittel bzw. sonstiger Leistungsinanspruchnahme vorsah.

Anlässlich des Tarifwechsels unterzeichnete der Kläger unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit eine ihm von der Beklagten vorgelegte “Erklärung zum Umtarifierungsantrag”, die im Kern die Fortgeltung der absoluten Selbstbeteiligung von 2.300 € auch im Zieltarif vorsieht. Das AG gab der Klage, mit der der Kläger die Feststellung begehrte, dass der auch im Zieltarif vereinbarte absolute jährliche Selbstbehalt unwirksam sei, statt; das LG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und stellte das amtsgerichtliche Urteil wieder her.

Entscheidungsründe:
Die uneingeschränkte Vereinbarung der Fortgeltung der absoluten jährlichen Selbstbeteiligung von 2.300 € im Zieltarif war neben dem vereinbarten behandlungsbezogenen Selbstbehalt unwirksam. Macht der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung von seinem Recht Gebrauch, innerhalb eines bestehenden Versicherungsverhältnisses in einen anderen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz zu wechseln, so kann der Versicherer, soweit die Leistung in dem Zieltarif höher oder umfassender ist als in dem bisherigen Tarif, für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen (§ 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG).

Auch der Wegfall eines absoluten Selbstbehalts im Zieltarif kann eine derartige Mehrleistung darstellen, für die der Versicherer grundsätzlich einen Leistungsausschluss verlangen kann. Einen Leistungsausschluss in Gestalt einer erneuten Vereinbarung des absoluten Selbstbehalts kann der Versicherer aber nur beanspruchen, soweit die Summe der im Zieltarif vereinbarten behandlungsbezogenen Selbstbeteiligungen pro Kalenderjahr den absoluten Selbstbehalt – von hier 2.300 € – nicht ausschöpft.

Eine derartige Begrenzung enthielt die vom Kläger unterzeichnete “Erklärung zum Umtarifierungsantrag” allerdings nicht. Ein kumulativer Ansatz sowohl des absoluten als auch des behandlungsbezogenen Selbstbehalts, der zu einer Schlechterstellung des Klägers gegenüber anderen Versicherungsnehmern sowohl im Herkunfts- als auch im Zieltarif führt, ist demgegenüber unzulässig.

 

Quelle: BGH PM Nr. 147 vom 12.9.2012