BGH: Besteht Rechtsschein eines Dritten, er sei Unternehmensinhaber, kann der Dritte für die Erfüllung des unternehmensbezogenen Geschäfts haften.
BGH 31.7.2012, X ZR 154/11
Bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften können Dritte aufgrund des von ihnen erzeugten Rechtsscheins, sie seien Mitinhaber des Unternehmens, für die Erfüllung der darauf beruhenden Verträge haften. Dem Auslegungsgrundsatz zur personellen Zuordnung unternehmensbezogener Rechtsgeschäfte steht eine Haftung aus Rechtsscheinsgründen nicht entgegen.
Sachverhalt:
Der Kläger hatte bei der Beklagten zu 1) ein Wohnmobil für einen Urlaub in Argentinien als “Einwegmiete” gebucht. Allein die Beklagte zu 1), über deren Vermögen während des Rechtsstreits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war die Inhaberin dieses Unternehmens. Der Beklagte zu 2) war Angestellter. Im Juli 2009 erhielt der Kläger für die Wohnmobilbuchung mit einem Gesamtpreis von rund 3.448 € eine “Rechnung/Bestätigung”, die als maschinell geschriebene Unterschriftszeile in Druckschrift die Namen der beiden Beklagten auswies.
Wegen des vom Übergabeort abweichenden Rückgabeorts sollte dem Kläger der Rechnungsposten “Einwegmiete” i.H.v. 625 € erstattet werden, wenn das Wohnmobil am Rückgabeort direkt weitervermietet werden konnte. Bei der Übergabe des Wohnmobils war allerdings die Heizung defekt, so dass der Kläger das Wohnmobil für einen Tag nicht nutzen konnte. Weiterhin waren gebuchte Campingutensilien defekt. Nach der Rückgabe des Wohnmobils konnte dieses direkt weitervermietet werden.
Der Kläger verlangte von den Beklagten die Rückzahlung von 798 € für die Rückerstattung der Position “Einwegmiete” sowie als Ausgleich für die Mängel an der Heizung und den Campingutensilien. Nachdem es die Unterbrechung des Rechtsstreits hinsichtlich der Beklagten zu 1) festgestellt hatte, gab das AG der Klage gegenüber dem Beklagten zu 2) statt. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Beklagten zu 2) blieben allesamt erfolglos.
Entscheidungsgründe:
Die auf Mängel der Reiseleistung gestützten Klageforderungen konnten auf § 651c Abs. 1, § 651d BGB gestützt werden. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung konnte der Kläger die Rückzahlung von 625 € als Rechnungsposten für eine “Einwegmiete” verlangen, nachdem das Wohnmobil nach der Rückgabe unmittelbar weitervermietet werden konnte. Dabei handelt es sich um einen vertraglichen Anspruch, der einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung vorgeht.
Der Beklagte zu 2) schuldete dem Kläger die Rückzahlung der im Streit stehenden Teile des Reisepreises, denn er musste sich so behandeln lassen, als wäre der Reisevertrag auch mit ihm zustande gekommen. Schließlich kann bei einem unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft ein Dritter aufgrund des von ihm erzeugten Rechtsscheins, er sei Mitinhaber des Unternehmens, für die Erfüllung des darauf beruhenden Vertrags haften. Mit dem als “Rechnung/Bestätigung” bezeichneten Schreiben wurde der Rechtsschein gesetzt, auch der Beklagte zu 2) stehe im Falle eines Vertragsschlusses für die darin festgelegten Verpflichtungen ein, denn das Schreiben war darauf gerichtet, dass er gemeinsam mit der Beklagten zu 1) wie ein Gesellschafter aus dem Vertrag verpflichtet werden sollte.
Dem Auslegungsgrundsatz zur personellen Zuordnung unternehmensbezogener Rechtsgeschäfte steht eine Haftung aus Rechtsscheinsgründen nicht entgegen. Die zusätzliche Haftung dessen, der selbst einen Rechtsschein für die Stellung als Vertragspartner gesetzt hat oder für den ein solcher, ihm zuzurechnender Rechtsschein gesetzt wurde, mindert nicht die Erfüllbarkeit einer vom Rechtsgeschäft vorgesehenen Leistung, weil das hierfür vorgesehene Unternehmen als Vertragspartner verpflichtet bleibt. In diesen Fällen kann der kraft Rechtsschein Verpflichtete sich nicht darauf berufen, dass ein in Wahrheit als Vertreter Handelnder bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften vor einer Verpflichtung als Vertragspartner geschützt werden soll, denn dieser Schutz soll ihm nicht erlauben, einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden Rechtsschein zu erwecken.