BGH: Der Hauptunternehmer ist nicht berechtigt, die Zahlung an den Nachunternehmer bis zur rechtskräftigen Klärung eines Rechtsstreits zwischen dem Hauptunternehmer und dessen Auftraggeber zurückzuhalten.

BGH 6.9.2012, VII ZR 72/10

Ein Hauptunternehmer ist nicht berechtigt, die Zahlung des dem Nachunternehmer zustehenden Werklohns so lange zu verweigern, bis in einem Rechtsstreit gegen seinen Auftraggeber geklärt ist, ob der Auftraggeber gegen den Werklohnanspruch des Hauptunternehmers zu Recht mit einer von diesem bestrittenen Vertragsstrafe aufrechnet, die der Auftraggeber wegen einer Verzögerung der Nachunternehmerleistung geltend macht. Grundlage des Streits um die unberechtigte Verweigerung der Zahlung des Werklohns ist immer das Vertragsverhältnis zwischen dem Hauptunternehmer und seinem Besteller.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn. Sie war als Nachunternehmerin der Beklagten, die für die Bestellerin (HBM) die Haustechnik auszuführen hatte, bei der Errichtung einer Sportarena tätig. Die Beklagte beauftragte die Klägerin auf der Grundlage der VOB/B (Ausgabe 2002) mit Leistungen zur Fernmeldetechnik einschließlich Brand- und Einbruchsmeldung. Die für den 12.8.2005 vereinbarte Gesamtfertigstellung durch die Klägerin erfolgte erst am 19.10.2005.

Die Beklagte beruft sich gegenüber dem Werklohnverlangen der Klägerin auf ein Zurückbehaltungsrecht, weil sie wegen der von der Klägerin zu vertretenden Verzögerung von der HBM auf eine den Werklohnanspruch der Klägerin übersteigende Vertragsstrafe in Anspruch genommen werde. Die HBM verweigere deshalb die Zahlung des der Beklagten zustehenden Werklohns. Die Beklagte führt über ihren Werklohnanspruch gegen die HBM einen Rechtsstreit, in dem sie die Aufrechnung mit dem Vertragsstrafenanspruch als unberechtigt zurückweist. Sie macht u.a. geltend, die Vertragsstrafe sei nicht wirksam vereinbart. Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie dürfe den Werklohn der Klägerin bis zur Klärung des Vertragsstrafenanspruchs der HBM zurückhalten.

Das LG gab der Klage unter Abweisung im Übrigen statt und verurteilte die Beklagte, an die Klägerin rd. 200.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klageantrag i.H.v. rd. 190.000 € nebst Zinsen weiterverfolgt, hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf und gab der Klage statt. Hinsichtlich eines von der Beklagten – ebenfalls auf Zahlung gerichteten Hilfswiderklageantrags – verwies der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht die Klage in der von der Revision angegriffenen Höhe von rd. 190.000 € nebst Zinsen als zurzeit unbegründet abgewiesen.

Es entspricht herrschender Meinung und ständiger BGH-Rechtsprechung, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Das kann auch der Fall sein, wenn der Schaden durch eine vertragswidrige Handlung eines Dritten entsteht. Ein “äußerlicher”, gleichsam “zufälliger” Zusammenhang genügt dagegen nicht.

Demnach ist es vorliegend nicht gerechtfertigt, die eingetretene Verzögerung bei der Durchsetzung des Werklohnanspruchs der Beklagten gegen die HBM der Fertigstellungsverzögerung der Klägerin zuzurechnen und diese hierfür haften zu lassen. Die fristgerechte Erstellung des Werkes eines Nachunternehmers soll dem Hauptnehmer allerdings ermöglichen, seine gegenüber seinem Besteller bestehenden Vertragspflichten ordnungsgemäß, insbes. ebenfalls fristgerecht zu erfüllen. Damit dienen die entsprechenden vertraglichen Pflichten des Fachunternehmers auch dem Zweck zu vermeiden, dass der Besteller den Hauptunternehmer wegen einer Verzögerung in Anspruch nehmen kann, etwa auf Zahlung einer Vertragsstrafe.

Nach dem Vortrag der Beklagten besteht der von der HBM reklamierte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe jedoch nicht, so dass ihr Werklohnanspruch nicht wirksam durch Aufrechnung vermindert worden ist und noch durchgesetzt werden kann. Ein Risiko, Ansprüche gegen den Besteller erst mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen zu können, trifft aber prinzipiell jeden Unternehmer. Es ist grundsätzlich seinem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. Daran ändert sich nichts, wenn das Verhalten des Bestellers erst oder auch durch eine Pflichtverletzung des Nachunternehmers hervorgerufen worden ist. Denn Grundlage des Streits um die unberechtigte Verweigerung der Zahlung des Werklohns ist immer das Vertragsverhältnis zwischen dem Hauptunternehmer und seinem Besteller, hier also zwischen der Beklagten und der HBM.

Quelle: BGH online