BGH: Zur Verjährungshemmung durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage im (Geschäftsraum-)Mietrecht nach der Schuldrechtsreform
BGH 15.8.2012, XII ZR 86/11
Die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner oder die Verteidigung des Gläubigers hiergegen genügen auch nach der Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht, um eine Hemmung der Verjährung zu bewirken. Auch die Tatsache, dass die Parteien nach einem Neubeginn der Verjährung den Rechtsstreit weiterführen und ein etwaiger Kautionsrückzahlungsanspruch streitbefangen wird, erfüllt den Begriff der “Verhandlungen” i.S.v. § 203 BGB nicht.
Sachverhalt:
Der Beklagte hatte an den Kläger Geschäftsräume vermietet. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Kaution spätestens drei Monate nach Rückgabe der Mietsache an den Mieter zurückzuzahlen ist. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.7.2006 stritten die Parteien im Rahmen der Widerklage darüber, ob der Kläger zum Ersatz von Schäden an der Mietsache verpflichtet ist und er die von ihm zu Beginn des Mietverhältnisses in bar geleistete Mietkaution i.H.v. 3.750 € zurückverlangen kann. Der Beklagte begehrte zudem die negative Feststellung, dass dem Kläger im Hinblick auf ausstehende Nebenkosten und die Prozesskosten des laufenden Verfahrens keine Ansprüche auf Auszahlung der Kaution zustünden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG am 25.10.2007 erklärte der Beklagte mit dem von ihm behaupteten Schadensersatzanspruch und einer Nebenkostenforderung gegen den Kautionszahlungsanspruch die Aufrechnung. Die Parteien schlossen am 20.2.2008 einen widerruflichen Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Rückzahlung eines Teilbetrags aus der Kaution verpflichtete. Diesen Vergleich widerrief der Kläger jedoch am 5.3.2008. Ein weiteres Vergleichsangebot des Beklagten lehnte der Kläger am 19.3.2008 ab.
Das LG verurteilte den Kläger zur Zahlung von 25 € und stellte die Erledigung des Rechtsstreits fest. Die Widerklage wurde abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG festgestellt, dass dem Kläger aus der übergebenen Sicherheitsleistung hinsichtlich eines Betrages i.H.v. 822 € kein Rückzahlungsanspruch zustehe. Die weitergehende negative Feststellungsklage wurde abgewiesen. Auf die zur Frage der Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs zugelassene Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden war und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Entscheidungsgründe:
Es bedarf weiteren Feststellungen zu der Frage, ob und in welchem zeitlichen Umfang nach dem 26.10.2007 zwischen den Parteien Verhandlungen i.S.v. § 203 BGB geführt wurden.
Die Verjährungsfrist begann hier gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31.12.2006 und wäre am 31.12.2009 abgelaufen, wenn sie nicht vorher gehemmt worden wäre oder neu begonnen hätte. Insofern war zu berücksichtigen, dass die Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs nicht durch die vom Beklagten als Schuldner erhobene negative Feststellungsklage oder die hiergegen gerichtete Verteidigung des Klägers gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wurde. Denn auch nach der Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz genügt weder die Erhebung einer negativen Feststellungsklage durch den Schuldner noch die Verteidigung des Gläubigers hiergegen, um eine Hemmung der Verjährung zu bewirken.
Allerdings war es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das OLG einen Neubeginn der Verjährung mit der Begründung angenommen hatte, der Beklagte habe durch die von ihm erklärte Aufrechnung den Kautionsrückzahlungsanspruch i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt. Denn nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Beginnt nach einem Anerkenntnis i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung erneut, wird die Verjährungsfrist am darauf folgenden Tag in Lauf gesetzt. Die ultimo-Regel des § 199 Abs. 1 Hs. 1 BGB gilt im Anwendungsbereich des § 212 Abs. 1 BGB nicht.
Da der Beklagte die Aufrechnung am 25.10.2007 erklärt hatte, wäre die Verjährung des Kautionsrückzahlungsanspruchs des Klägers mit Ablauf des 25.10.2010 und damit schon vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem OLG am 12.4.2011 eingetreten. Ob dem Kläger ein durchsetzbarer Anspruch zusteht, hängt daher davon ab, ob und in welchem Umfang die Verjährung in dem Zeitraum vom 26.10.2007 bis zum 25.10.2010 gehemmt wurde. Das OLG ging davon aus, dass die neu begonnene Verjährungsfrist durch Verhandlungen der Parteien gem. § 203 BGB gehemmt worden sei, weil sie während des Gerichtsverfahrens gerade über die Berechtigung der Aufrechnungsforderung gestritten hätten. Dies begegnete jedoch rechtlichen Bedenken. Denn allein durch die Tatsache, dass die Parteien auch nach dem Neubeginn der Verjährung den Rechtsstreit weitergeführt hatten und damit auch der Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers streitbefangen war, wurde der Begriff der “Verhandlungen” i.S.v. § 203 BGB nicht erfüllt.