BGH: Klausel mit Verpflichtung zur unentgeltlichen Rückübertragung von zuvor entgeltlich erworbenen Aktien ist nichtig
BGH 22.1.2013, II ZR 80/10
Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass die Aktionäre aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit schuldrechtliche Nebenabreden treffen und darin Regelungen vorsehen können, die in der Satzung der AG nicht zulässig wären. Schließt eine AG allerdings einen schuldrechtlichen Vertrag mit einem Aktionär, wonach der Aktionär seine Aktien auf die Gesellschaft unentgeltlich zu übertragen hat, wenn der Vertrag beendet wird, ist dieser Vertrag jedenfalls dann nichtig, wenn der Aktionär die Aktien zuvor entgeltlich erworben hat.
Der Sachverhalt:
Die klagende AG betreibt ein Verbundsystem für Versicherungsmakler. Ihre Aufgabe ist es, den Maklern die Hilfen und Unterstützungsmittel zur Verfügung zu stellen, die sich aus ihrem Berufsbild ergeben. Sämtliche Aktionäre der Klägerin sind Versicherungsmakler. Sie sind außerdem über einen “Partnerschaftsvertrag” mit der Klägerin verbunden. Darin bietet die Klägerin den Partnern ihre Beratungs- und Unterstützungsleistungen an.
Die Beklagte ist eine selbständige Versicherungsmaklerin. Sie schloss im Mai 2001 einen Partnerschaftsvertrag mit der Klägerin ab. Darin verpflichtete sie sich 25 vinkulierte Namensaktien der Klägerin zu erwerben und eine einmalige Bearbeitungsgebühr sowie weitere Beiträge zu zahlen. Der Vertrag konnte von beiden Seiten mit einer dreimonatigen Frist gekündigt werden. Außerdem sah eine Klausel vor, dass der Aktionär bei Beendigung des Vertrags seine Aktien unentgeltlich auf die Gesellschaft zu übertragen hat.
Im September 2007 kündigte die Klägerin den Partnerschaftsvertrag mit der Beklagten zum Jahresende. Sie verlangte daraufhin die unentgeltliche Rückübertragung der Aktien. Die Beklagte wehrte sich dagegen und erstrebte hilfsweise eine Verurteilung zur Herausgabe nur Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung. Das AG gab der Klage mit der Einschränkung statt, dass die Übertragung der Aktien Zug um Zug gegen Zahlung von 1.300 € zu geschehen habe. Die beiderseitigen Berufungen wies das LG zurück. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden war und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die Regelung im Partnerschaftsvertrag, wonach bei einer Beendigung des Vertrages die Beklagte verpflichtet sein sollte, ihre Aktien auf die Klägerin unentgeltlich zurück zu übertragen, war gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil sie gegen die guten Sitten verstieß. Rechtsfolge dieses Verstoßes war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Nichtigkeit der gesamten Klausel.
Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass die Aktionäre aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit schuldrechtliche Nebenabreden treffen und darin Regelungen vorsehen können, die in der Satzung der AG nicht zulässig wären. So können etwa die Gesellschafter einer Familiengesellschaft vereinbaren, dass ein Aktionär, der aus der Aktiengesellschaft ausscheiden will, seine Aktien den übrigen Gesellschaftern zum Kauf anbieten muss. Allerdings war hier der schuldrechtliche Vertrag nicht zwischen den Aktionären getroffen worden. Vielmehr hatte die klagende AG selbst mit jeweils einem künftigen Aktionär vereinbart, dass er bei Beendigung des Partnerschaftsvertrages – auch infolge einer fristgemäßen Kündigung seitens der Klägerin – seine Aktien auf die Klägerin unentgeltlich zurück zu übertragen habe. Eine derartige Abrede verstößt jedoch gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB.
Durch eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der AG und ihrem jeweiligen Aktionär können grundsätzlich keine Rechte und Pflichten begründet werden, die alle gegenwärtigen und künftigen Aktionäre treffen sollen und damit mitgliedschaftlicher Natur sind. Solche Abreden sind notwendige materielle Satzungsbestandteile, die die nur dann wirksam sein können, wenn sie in die Satzung aufgenommen werden. So kann etwa ein Recht zur Zwangseinziehung im Sinne des § 237 AktG nicht durch eine schuldrechtliche Abrede zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Aktionären begründet werden.
Die Rechtsfolge eines solchen Verstoßes ist die Nichtigkeit der gesamten Klausel des Partnerschaftsvertrages. Sie kann weder durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB oder eine entsprechende Anwendung von § 139 BGB noch durch eine Umdeutung nach § 140 BGB aufrechterhalten werden. Die Möglichkeiten kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil nach BGH-Rechtsprechung ein wegen eines sittenwidrigen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nichtiges Rechtsgeschäft grundsätzlich nicht durch Anpassung der Leistungen auf ein noch vertretbares Maß aufrechterhalten werden kann. Nichts anderes gilt für die Umdeutung.
Quelle: BGH online