Unerfahrene Anlegermüssen mündlich erteilte Empfehlungen eines Anlageberaters nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüfen
OLG Hamm 3.1.2013, I-34 W 173/12
Ein Anleger verkennt einen Beratungsfehler des Anlageberaters nicht grob fahrlässig, wenn er die im Zeichnungsschein enthaltenen pauschalen Hinweise auf eine “nicht mündelsichere Kapitalanlage” und im Anlageprospekt abgedruckte Risikohinweise nicht zum Anlass genommen hat, die mündlichen Empfehlungen und Informationen des Anlageberaters zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Es gilt insoweit der Grundsatz, dass ein Anleger im Allgemeinen auf das gesprochene Wort seines Beraters vertrauen darf.
Der Sachverhalt:
Im März 2004 beteiligte sich die seinerzeit 19 Jahre alte, erwerbslose Klägerin nach Beratung und auf Empfehlung des Beklagten, einem im Landgerichtsbezirk Hagen ansässigen selbständigen Finanzdienstleister, an einem geschlossenen Leasingfonds. Dieser war als sog. “blind Pool” ausgestaltet und als “Steuersparmodell” insbes. auf die Erzielung hoher steuerlicher Verlustzuweisungen ausgerichtet. Die Klägerin hatte den angelegten Geldbetrag i.H.v. 50.000 € nach dem Tode ihrer Eltern geerbt und wollte diesen für die Zukunft gut und sicher angelegt wissen. Die Kapitalanlage führte zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine im Jahr 2012 gegen den Beklagten erhobene Schadensersatzklage. Dieser habe ihr die Beteiligung als sichere Kapitalanlage empfohlen und auf Risiken nicht hingewiesen. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Ansicht, angesichts der im Jahre 2004 durchgeführten Beratung sei die dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung vollendet gewesen.
Das LG versagte die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hob das OLG den Beschluss des LG auf und gab dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe statt.
Die Gründe:
Es ist nicht von einer Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auszugehen. Dass die Klägerin die Hinweise im Zeichnungsschein nicht zum Anlass genommen hat, die von ihr behauptete Falschberatung des Beklagten zu hinterfragen, rechtfertigt nicht den Vorwurf einer den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auslösenden grob fahrlässigen Unkenntnis. Die pauschalen Hinweise im Zeichnungsschein sind schon für sich genommen inhaltlich wenig aussagekräftig und insgesamt nicht geeignet, einem “durchschnittlichen Anleger”, geschweige denn einem unerfahrenen Anleger wie der Klägerin, die Anlagerisiken verständlich vor Augen zu führen.
Abgesehen davon greift auch vorliegend der Grundsatz, dass ein Anleger im Allgemeinen auf das gesprochene Wort seines Beraters vertrauen darf. Anderenfalls bliebe außer Acht, dass der Anleger bei seiner Anlageentscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder Vermittlers in Anspruch nimmt und daher dessen Ratschlägen und Auskünften, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht beimisst. Insoweit ist es auch nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Anleger bei gründlicher Lektüre des Zeichnungsscheins hätte erkennen können, dass die angeblich sichere Anlage womöglich vom Berater ungenannte oder durch mündliche Erklärungen “verwässerte” Risiken in sich trägt, ein Studium des Zeichnungsscheins aber gerade im Vertrauen auf die Richtigkeit der Erklärungen des Beraters unterblieben ist.
Nach summarischer Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren sind dem Prozesskostenhilfegesuch auch im Übrigen hinreichende Erfolgsaussichten zu bescheinigen. Nach dem Vorbringen der Klägerin spricht viel dafür, dass diese zum einen nicht ordnungsgemäß über die Risiken und Eigenschaften der streitgegenständlichen Kapitalanlage informiert und ihr zum anderen mit dem in Rede stehenden Fonds eine Geldanlage empfohlen wurde, die weder zu ihren Anlagezielen und ihrem Anlagehorizont noch zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen passte.
Quelle: OLG Hamm PM vom 29.1.2013