Die Verlegung des Vertragsarztsitzes kann nicht rückwirkend genehmigt werden

Sozialgericht Düsseldorf, 15.12.2004 – S 14 KA 172/04, nicht rechtskräftig

Die Verlegung des Vertragsarztsitzes setzt nicht den Wegzug aus einem Planungsbereich oder der politischen Gemeinde voraus. Maßgeblich ist die Änderung der konkreten Praxisanschrift. Der Vertragsarztsitz kann nicht rückwirkend genehmigt werden. Honorarausfälle hat der Arzt in der Regel hinzunehmen.

Der Kläger war seit dem 01.04.1986 als Vertragsarzt zugelassen. Seinen Praxissitz verlegte er zum 23.11.2004 in die unmittelbare Nachbarschaft. Hierüber wurde die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein im Februar 2004 durch den vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen des Klägers unterrichtet. Mit Schreiben vom 23.03.2004 teilte der Insolvenzverwalter schließlich auch dem Zulassungsausschuss mit, dass der Kläger seine Praxis am 23.11.2003 verlegt habe und beantragte die Verlegung des Vertragsarztsitzes. Der Zulassungsausschuss genehmigte diese zum 30.03.2004. Der Kläger beantragte daraufhin, ihm die Verlegung mit Wirkung zum 23.11.2003 zu genehmigen. Er sei durch die Entscheidung des Zulassungsausschusses in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht, weil ihm das Honorar für Teile des Quartals IV/03 und für das gesamte Quartal I/04 nicht zugestanden werde. Der Zulassungsausschuss lehnte diesen Antrag ab, den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte ebenfalls zurück. Gegen den Widerspruch ging der Kläger beim zuständigen Sozialgericht vor, da sich der Einzugsbereich seiner Praxis nicht geändert habe und die vertragsärztliche Versorgung nicht beeinträchtigt worden sei.

Das Sozialgericht Düsseldorf entschied, dass der Beklagte es zu Recht abgelehnt habe, die Verlegung des Praxissitzes rückwirkend zum 23.11.2003 zu genehmigen. Zunächst bejaht die Kammer im konkreten Fall eine Verlegung des Vertragsarztsitzes. Diese ist schon dann zu bejahen, wenn sich die konkrete Praxisanschrift ändert, selbst wenn der Planbereich oder die politische Gemeinde nicht verlassen wird. Die Verlegung der Praxis war somit eine Verlegung des Vertragsarztsitzes im Rechtssinne, so dass hierfür die vorherige Genehmigung des Zulassungsausschusses erforderlich war. Diese kann allerdings nur für die Zukunft erteilt werden. Das Sozialgericht begründet seine Auffassung mit den Besonderheiten des Vertragsarztrechts und der Sachnähe zwischen vertragsärztlicher Zulassung als statusbegründendem Akt und Vertragsarztsitz. Unstreitig ist in der Rechtsprechung, dass die vertragsärztliche Zulassung nur mit Wirkung für die Zukunft erteilt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht rückwirkend zuerkannt werden. Dies gilt sowohl für Zulassungen von Vertragsärzten, für Ermächtigungen von Krankenhausärzten sowie für Genehmigungen zur Anstellung von Ärzten. Die Unzulässigkeit rückwirkender Statusbegründungen ergibt sich aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt ist. Mit dieser Beschränkung ist verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen förmlich zuerkannt sein muss. Nichts anderes kann für die Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes gelten, für den die Zulassung einmal erfolgt ist. Aus diesem Grund sind sie selbst dann, wenn ein Anspruch auf Erteilung der Zulassung oder Genehmigung besteht, ohne eine Genehmigung diese Leistungen nicht vergütungsfähig. Ein funktionierendes System der vertragsärztlichen Versorgung ist zudem nur zu gewährleisten, wenn grundlegende Veränderungen rechtzeitig angezeigt und vor Schaffung vollendeter Fakten genehmigt werden. Letztlich dient die vorherige Genehmigung auch dem Schutz des Vertragsarztes selbst vor finanziellen Verlusten in den Fällen, in denen eine Genehmigung auch rückwirkend aufgrund der Versorgungslage nicht erteilt werden kann.

Vertrauensgesichtspunkte spielen nach Ansicht der Kammer bei der Frage der rückwirkenden Genehmigung keine Rolle. Diese Erwägungen seien im Rahmen des beanspruchten Honorars zu prüfen, was in der Regel dem betroffenen Arzt aber nicht helfen wird. Grundsätzlich kann der ärztliche Leistungserbringer nämlich weder bei der Aufnahme der Tätigkeit vor Erteilung der Zulassung noch vor der Genehmigung oder gar vor der Anzeige der Verlegung des Vertragsarztsitzes darauf vertrauen, dass seine Aufwendungen durch spätere vertragsärztliche Honorare gedeckt werden.

Nachtrag:
Bundessozialgericht, B 6 KA 7/05 R

Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf aktuell bestätigt. Ein Arzt werde für einen bestimmten Vertragsarztsitz zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Deshalb sei der Vertragsarztsitz Bestandteil des vertragsärztlichen Zulassungsstatus. Statusrelevante Entscheidungen können aber im System der vertragsärztlichen Versorgung nicht rückwirkend getroffen werden. Auf das Ausmaß der räumlichen Entfernung zwischen dem Vertragsarztsitz und der neuen Praxis komme es in diesem Zusammenhang nicht an.

Konsequenzen:
Versäumnisse bei der Anzeige statusrelevanter Änderungen können zu erheblichen Honorarausfällen führen, die in der Regel die wirtschaftliche Basis einer Arztpraxis bis zur Existenzgefährdung belasten. Generell erkennen die Gerichte ein schützenswertes Vertrauen der Ärzte in diesen Punkten nicht an. Es sollte aber in Einzelfall immer geprüft werden, ob derartige Gesichtspunkte nicht auf Grund des konkreten Sachverhalts jedenfalls bei der Zuteilung der Honorare Berücksichtigung finden können.